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Johann Christoph Friedrich von Schiller (1759-1805), 1802 geadelt, deutscher Arzt, Dichter, Philosoph und Historiker
Die Bürgschaft
Zu Dionys dem Tyrannen schlich Möros, den Dolch im Gewande, Ihn schlugen die Häscher in Bande. Was wolltest du mit dem Dolche, sprich! Entgegnet ihm finster der Wüterich. »Die Stadt vom Tyrannen befreien!« Das sollst du am Kreuze bereuen.
»Ich bin, spricht jener, zu sterben bereit, Und bitte nicht um mein Leben, Doch willst du Gnade mir geben, Ich flehe dich um drei Tage Zeit, Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit Ich lasse den Freund dir als Bürgen, Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen.«
Da lächelt der König mit arger List, Und spricht nach kurzem Bedenken: Drei Tage will ich dir schenken. Doch wisse! Wenn sie verstrichen die Frist, Eh du zurück mir gegeben bist, So muß er statt deiner erblassen, Doch dir ist die Strafe erlassen.
Und er kommt zum Freunde: »der König gebeut, Daß ich am Kreuz mit dem Leben Bezahle das frevelnde Streben, Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit, Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit, So bleib du dem König zum Pfande, Bis ich komme, zu lösen die Bande.«
Und schweigend umarmt ihn der treue Freund, Und liefert sich aus dem Tyrannen, Der andere ziehet von dannen. Und ehe das dritte Morgenrot scheint, Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint, Eilt heim mit sorgender Seele, Damit er die Frist nicht verfehle.
Da gießt unendlicher Regen herab, Von den Bergen stürzen die Quellen, Und die Bäche, die Ströme schwellen. Und er kommt an's Ufer mit wanderndem Stab, Da reißet die Brücke der Strudel hinab, Und donnernd sprengen die Wogen Des Gewölbes krachenden Bogen.
Und trostlos irrt er an Ufers Rand, Wie weit er auch spähet und blicket, Und die Stimme, die rufende, schicket, Da stößet kein Nachen vom sichern Strand, Der ihn setze an das gewünschte Land, Kein Schiffer lenket die Fähre, Und der wilde Strom wird zum Meere.
Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht, Die Hände zum Zeus erhoben: »O hemme des Stromes Toben! Es eilen die Stunden, im Mittag steht Die Sonne und wenn sie niedergeht, Und ich kann die Stadt nicht erreichen, So muß der Freund mir erbleichen.«
Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut, Und Welle auf Welle zerrinnet, Und Stunde an Stunde entrinnet, Da treibt ihn die Angst, da faßt er sich Mut Und wirft sich hinein in die brausende Flut, Und teilt mit gewaltigen Armen Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen.
Und gewinnt das Ufer und eilet fort, Und danket dem rettenden Gotte, Da stürzet die raubende Rotte Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort, Den Pfad ihm sperrend, und schnaubet Mord Und hemmet des Wanderers Eile Mit drohend geschwungener Keule.
»Was wollt ihr? ruft er, für Schrecken bleich, Ich habe nichts als mein Leben, Das muß ich dem Könige geben!« Und entreißt die Keule dem nächsten gleich: »Um des Freundes willen erbarmet euch!« Und drei, mit gewaltigen Streichen, Erlegt er, die andern entweichen.
Und die Sonne versendet glühenden Brand, Und von der unendlichen Mühe Ermattet sinken die Kniee: »O hast du mich gnädig aus Räubershand, Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land, Und soll hier verschmachtend verderben, Und der Freund mir, der liebende, sterben!«
Und horch! da sprudelt es silberhell Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen, Und stille hält er zu lauschen, Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell, Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell, Und freudig bückt er sich nieder, Und erfrischet die brennenden Glieder.
Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün, Und malt auf den glänzenden Matten Der Bäume gigantische Schatten; Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn, Will eilenden Laufes vorüberfliehn, Da hört er die Worte sie sagen: Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.
Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß, Ihn jagen der Sorge Qualen, Da schimmern in Abendrots Strahlen Von ferne die Zinnen von Syrakus, Und entgegen kommt ihm Philostratus, Des Hauses redlicher Hüter, Der erkennet entsetzt den Gebieter:
Zurück! du rettest den Freund nicht mehr, So rette das eigene Leben! Den Tod erleidet er eben. Von Stunde zu Stunde gewartet' er Mit hoffender Seele der Wiederkehr, Ihm konnte den mutigen Glauben Der Hohn des Tyrannen nicht rauben.
»Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht Ein Retter willkommen erscheinen, So soll mich der Tod ihm vereinen. Des rühme der blut'ge Tyrann sich nicht, Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht, Er schlachte der Opfer zweie Und glaube an Liebe und Treue.«
Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor Und sieht das Kreuz schon erhöhet, Das die Menge gaffend umstehet, An dem Seile schon zieht man den Freund empor, Da zertrennt er gewaltig den dichten Chor: »Mich Henker! ruft er, erwürget, Da bin ich, für den er gebürget!«
Und Erstaunen ergreifet das Volk umher, In den Armen liegen sich beide, Und weinen für Schmerzen und Freude. Da sieht man kein Auge tränenleer, Und zum Könige bringt man die Wundermär, Der fühlt ein menschliches Rühren, Läßt schnell vor den Thron sie führen.
Und blicket sie lange verwundert an, Drauf spricht er: Es ist euch gelungen, Ihr habt das Herz mir bezwungen, Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn, So nehmet auch mich zum Genossen an, Ich sei, gewährt mir die Bitte, In eurem Bunde der dritte.
Das Lied von der Glocke
Festgemauert in der Erden, steht die Form aus Lehm gebrannt. Heute muß die Glocke werden, frisch, Gesellen! seid zur Hand. Von der Stirne heiß rinnen muß der Schweiß, Soll das Werk den Meister loben; doch der Segen kommt von oben.
Zum Werke, das wir ernst bereiten, geziemt sich wohl ein ernstes Wort; wenn gute Reden sie begleiten, dann fließt die Arbeit munter fort. So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten, was durch schwache Kraft entspringt; den schlechten Mann muß man verachten, der nie bedacht, was er vollbringt. Das ist's ja, was den Menschen zieret, und dazu ward ihm der Verstand, daß er im innern Herzen spüret, was er erschaffen mit seiner Hand.
Nehmet Holz vom Fichtenstamme, doch recht trocken laßt es sein, daß die eingepreßte Flamme schlage zu dem Schwalch hinein! Kocht des Kupfers Brei! schnell das Zinn herbei, daß die zähe Glockenspeise fließe nach der rechten Weise!
Was in des Dammes tiefer Grube die Hand mit Feuers Hilfe baut, hoch auf des Turmes Glockenstube, da wird es von uns zeugen laut. Noch dauern wird's in späten Tagen und rühren vieler Menschen Ohr, und wird mit dem Betrübten klagen und stimmen zu der Andacht Chor. Was unten tief dem Erdensohne das wechselnde Verhängnis bringt, das schlägt an die metallne Krone, die es erbaulich weiter klingt.
Weiße Blasen seh' ich springen; wohl! die Massen sind im Fluß. Laßt's mit Aschensalz durchdringen, das befördert schnell den Guß. Auch vom Schaume rein muß die Mischung sein, daß vom reinlichen Metalle rein und voll die Stimme schalle.
Denn mit der Freude Feierklange begrüßt sie das geliebte Kind auf seines Lebens ersten Gange, den es in des Schlafes Arm beginnt. ihm ruhen noch im Zeitenschoße die schwarzen und die heitern Lose; der Mutterliebe zarte Sorgen bewachen seinen goldnen Morgen. Die Jahre fliehen pfeilgeschwind. Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe, er stürmt ins Leben wild hinaus, durchmißt die Welt am Wanderstabe, fremd kehrt er heim ins Vaterhaus. und herrlich in der Jugend Prangen, wie ein Gebild aus Himmelshöhn, mit züchtigen, verschämten Wangen, sieht er die Jungfrau vor sich stehn. Da faßt ein namenloses Sehnen des Jünglings Herz, er irrt allein, aus seinen Augen brechen Tränen, er flieht der Brüder wilden Reihn. Errötend folgt er ihren Spuren und ist von ihrem Gruß beglückt; das Schönste sucht er auf den Fluren, womit er seine Liebe schmückt. O zarte Sehnsucht, süßes Hoffen, der ersten Liebe goldne Zeit! Das Auge sieht den Himmel offen, es schwelgt das Herz in Seligkeit; Oh, daß sie ewig grünen bliebe, die schöne Zeit der jungen Liebe!
Wie sich schon die Pfeifen bräunen! Dieses Stäbchen tauch' ich ein: sehn wir's überglast erscheinen, wird's zum Gusse zeitig sein. Jetzt, Gesellen, frisch! Prüft mir das Gemisch, ob das Spröde mit dem Weichen sich vereint zum guten Zeichen.
Denn wo das Strenge mit dem Zarten, wo Starkes sich und Mildes paarten, da gibt es einen guten Klang. Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet! Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang. Lieblich in der Bräute Locken spielt der jungfräuliche Kranz, wenn die hellen Kirchenglocken laden zu des Festes Glanz. Ach! des Lebens schönste Feier endigt auch den Lebens-Mai; mit dem Gürtel, mit dem Schleier reißt der schöne Wahn entzwei. Die Leidenschaft flieht, die Liebe muß bleiben; die Blume verblüht, die Frucht muß treiben. Der Mann muß hinaus ins feindliche Leben, muß wirken und streben und pflanzen und schaffen, erlisten, erraffen, muß wetten und wagen, das Glück zu erjagen. Da strömet herbei die unendliche Gabe, es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe, die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus. Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau, die Mutter der Kinder, und herrschet weise im häuslichen Kreise und lehret die Mädchen und wehret den Knaben und reget ohn' Ende die fleißigen Hände und mehrt den Gewinn mit ordnendem Sinn und füllet mit Schätzen die duftenden Laden und dreht um die schnurrende Spindel den Faden und sammelt im reinlich geglätteten Schrein die schimmernde Wolle, den schneeigen Lein und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer und ruhet nimmer.
Und der Vater mit frohem Blick von des Hauses weitschauendem Giebel überzählet sein blühend Glück, siehet der Pfosten ragende Bäume, und der Scheunen gefüllte Räume und die Speicher, vom Segen gebogen, und des Kornes bewegte Wogen, rühmt sich mit stolzem Mund: "Fest, wie der Erde Grund, gegen des Unglücks Macht steht mir des Hauses Pracht!" Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ew'ger Bund zu flechten, und das Unglück schreitet schnell.
Wohl! Nun kann der Guß beginnen, schön gezacket ist der Bruch. Doch bevor wir's lassen rinnen, betet einen frommen Spruch! Stoßt den Zapfen aus! Gott bewahr' das Haus! Rauchend in des Henkels Bogen schießt's mit feuerbraunen Wogen.
Wohltätig ist des Feuers Macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht, und was er bildet, was er schafft, das dankt er dieser Himmelskraft; doch furchtbar wird die Himmelskraft, wenn sie der Fessel sich entrafft, einhertritt auf der eignen Spur, die freie Tochter der Natur. Wehe, wenn sie losgelassen, wachsend ohne Widerstand durch die volkbelebten Gassen wälzt den ungeheuren Brand! Denn die Elemente hassen das Gebild der Menschenhand. Aus der Wolke quillt der Segen, strömt der Regen; aus der Wolke, ohne Wahl zuckt der Strahl. Hört ihr's wimmern hoch vom Turm? Das ist Sturm! Rot, wie Blut ist der Himmel; das ist nicht des Tages Glut! Welch Getümmel straßenauf! Dampf wallt auf! Flackernd steigt die Feuersäule, durch der Straße lange Zeile wächst es fort mit Windeseile; kochend wie aus Ofens Rachen glühn die Lüfte, Balken krachen, Pfosten stürzen, Fenster klirren, Kinder jammern, Mütter irren, Tiere wimmern unter Trümmern; Alles rennet, rettet, flüchtet, taghell ist die Nacht gelichtet; durch der Hände lange Kette um die Wette fliegt der Eimer; hoch im Bogen spritzen Quellen, Wasserwogen. Heulend kommt der Sturm geflogen, der die Flamme brausend sucht. Prasselnd in die dürre Frucht fällt sie, in des Speichers Räume, in der Sparren dürre Bäume, und als wollte sie im Wehen mit sich fort der Erde Wucht reißen in gewalt'ger Flucht, wächst sie in des Himmels Höhen riesengroß! Hoffnungslos weicht der Mensch der Götterstärke; müßig sieht er seine Werke und bewundernd untergehn.
Leergebrannt ist die Stätte, wilder Stürme rauhes Bette. In den öden Fensterhöhlen wohnt das Grauen, und des Himmels Wolken schauen hoch hinein.
Einen Blick nach dem Grabe seiner Habe sendet noch der Mensch zurück - greift fröhlich dann zum Wanderstabe. Was Feuers Wut ihm auch geraubt, ein süßer Trost ist ihm geblieben; er zählt die Häupter seiner Lieben, und sieh! ihm fehlt kein teures Haupt.
In die Erd' ist's aufgenommen, glücklich ist die Form gefüllt. Wird's auch schön zu Tage kommen, daß es Fleiß und Kunst vergilt? Wenn der Guß mißlang? Wenn die Form zersprang? Ach! vielleicht, indem wir hoffen, hat uns Unheil schon getroffen.
Dem dunklen Schoß der heil'gen Erde vertrauen wir der Hände Tat, vertraut der Sämann seine Saat und hofft, daß sie entkeimen werde zum Segen, nach des Himmels Rat. Noch köstlicheren Samen bergen wir trauernd in der Erde Schoß und hoffen, daß er aus den Särgen erblühen soll zu schönerm Los.
Von dem Dome, schwer und bang, tönt die Glocke Grabgesang. Ernst begleiten ihre Trauerschläge einen Wandrer auf dem letzten Wege.
Ach! die Gattin ist's, die teure, ach! es ist die treue Mutter, die der schwarze Fürst der Schatten wegführt aus dem Arm des Gatten, aus der zarten Kinder Schar, die sie blühend ihm gebar, die sie an der treuen Brust wachsen sah mit Mutterlust. Ach, des Hauses zarte Bande sind gelöst auf immerdar; denn sie wohnt im Schattenlande, die des Hauses Mutter war; denn es fehlt ihr treues Walten, ihre Sorge wacht nicht mehr; an verwaister Stätte schalten wird die Fremde, liebeleer.
Bis die Glocke sich verkühlet, laßt die strenge Arbeit ruhn! Wie im Laub der Vogel spielet, mag sich jeder gütlich tun! Winkt der Sterne Licht, ledig aller Pflicht, hört der Bursch die Vesper schlagen; Meister muß sich immer plagen.
Munter fördert seine Schritte fern im wilden Forst der Wanderer nach der lieben Heimathütte. Blökend ziehen heim die Schafe, und der Rinder breitgestirnte, glatte Scharen kommen brüllend, die gewohnten Ställe füllend. Schwer herein schwankt der Wagen kornbeladen; bunt von Farben, auf den Garben liegt der Kranz, und das junge Volk der Schnitter fliegt im Tanz. Markt und Straße werden stiller; um des Lichts gesell'ge Flamme sammeln sich die Hausbewohner, und das Stadttor schließt sich knarrend. Schwarz bedecket sich die Erde; doch den sichern Bürger schrecket nicht die Nacht, die den Bösen gräßlich wecket; denn das Auge des Gesetzes wacht.
Heil'ge Ordnung, segensreiche Himmelstochter, die das Gleiche frei und leicht und freudig bindet, die der Städte Bau gegründet, die herein von den Gefilden rief den ungesell'gen Wilden, eintrat in der Menschen Hütten, sie gewöhnt zu sanften Sitten und das teuerste der Bande wob, den Trieb zum Vaterlande!
Tausend fleiß'ge Hände regen, helfen sich in munterm Bund, und in feurigem Bewegen werden alle Kräfte kund. Meister rührt sich und Geselle in der Freiheit heil'gem Schutz; jeder freut sich seiner Stelle, bietet dem Verächter Trutz. Arbeit ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis; ehrt den König seine Würde, ehret uns der Hände Fleiß.
Holder Friede, süße Eintracht, weilet, weilet freundlich über dieser Stadt! Möge nie der Tag erscheinen, wo des rauhen Krieges Horden dieses stille Tal durchtoben; wo der Himmel, den des Abends sanfte Röte lieblich malt, von der Dörfer, von der Städte wildem Brande schrecklich strahlt!
Nun zerbrecht mir das Gebäude, seine Absicht hat's erfüllt, daß sich Herz und Auge weide an dem wohlgelungnen Bild! Schwingt den Hammer, schwingt, bis der Mantel springt! Wenn die Glock' soll auferstehen, muß die Form in Stücken gehen.
Der Meister kann die Form zerbrechen Mit weiser Hand, zur rechten Zeit; Doch wehe, wenn in Flammenbächen Das glüh'nde Erz sich selbst befreit! Blindwütend mit des Donners Krachen Zersprengt es das geborstne Haus, Und wie aus offnem Höllenrachen Speit es Verderben zündend aus. Wo rohe Kräfte sinnlos walten, Da kann sich kein Gebild gestalten; Wenn sich die Völker selbst befrein, Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn.
Weh, wenn sich in dem Schoß der Städte der Feuerzunder still gehäuft, das Volk, zerreißend seine Kette, zur Eigenhilfe schrecklich greift! Da zerret an der Glocke Strängen der Aufruhr, daß sie heulend schallt, und, nur geweiht zu Friedensklängen, die Losung anstimmt zur Gewalt.
"Freiheit und Gleichheit!" hört man schallen; der ruh'ge Bürger greift zur Wehr, die Straßen füllen sich, die Hallen, und Würgerbanden ziehn umher. Da werden Weiber zu Hyänen und treiben mit Entsetzen Scherz; noch zuckend, mit des Panthers Zähnen zerreißen sie des Feindes Herz. Nichts Heiliges ist mehr, es lösen sich alle Bande frommer Scheu; der Gute räumt den Platz dem Bösen, und alle Laster walten frei. Gefährlich ist's, den Leu zu wecken, verderblich ist des Tigers Zahn; jedoch der schrecklichste der Schrecken, das ist der Mensch in seinem Wahn. Weh denen, die dem Ewigblinden des Lichtes Himmelsfackel leihn! Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden, und äschert Städt' und Länder ein.
Freude hat mit Gott gegeben! Sehet! wie ein gold'ner Stern aus der Hülse, blank und eben, schält sich der metallne Kern. Von dem Helm zum Kranz spielt's wie Sonnenglanz, auch des Wappens nette Schilder loben den erfahrnen Bilder.
Herein! herein, Gesellen alle, schließt den Reihen, daß wir die Glocke taufend weihen! "Concordia" soll ihr Name sein. Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine versammle sie die liebende Gemeine.
Und dies sei fortan ihr Beruf, wozu der Meister sie erschuf: Hoch über'm niedern Erdenleben soll sie im blauen Himmelszelt, die Nachbarin des Domes, schweben und grenzen an die Sternenwelt; soll eine Stimme sein von oben wie der Gestirne helle Schar, die ihren Schöpfer wandelnd loben und führen das bekränzte Jahr. Nur ewigen und ernsten Dingen sei ihr metallner Mund geweiht, und stündlich mit den schnellen Schwingen berühr' im Fluge sie die Zeit! Dem Schicksal leihe sie die Zunge; selbst herzlos, ohne Mitgefühl, begleite sie mit ihrem Schwunge des Lebens wechselvolles Spiel! Und wie der Klang im Ohr vergehet, der mächtig tönend ihr entschallt, so lehre sie, daß nichts bestehet, daß alles Irdische verhallt!
Jetzo mit der Kraft des Stranges wiegt die Glock' mir aus der Gruft, daß sie in das Reich des Klanges steige, in die Himmelsluft! Ziehet, ziehet, Hebt! Sie bewegt sich, schwebt! Freude dieser Stadt bedeute, Friede sei ihr erst Geläute!
*) Deutsch: Die Lebenden rufe ich. Die Toten beklage ich. Die Blitze breche ich.
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