Christl. nachgeforscht 3#1

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Homosexualität im Alten Testament

Im AT beziehen sich nur zwei Stellen, nämlich in Moses’ Levitikus, explizit auf homosexuelles Verhalten:

3. Mose 18,22 und
3. Mose 20,13.

Bei beiden Stellen ist in der griechisch sprachigen Septuaginta bei den handelnden Personen von ársenos koíti̱n [ἄρσενος κοίτην] die Rede, was soviel bedeutet, wie “Mit-Männlichen-Lieger”. Luther übersetzte das traditionell aber mit “bei Knaben liegen/schlafen”. Wahrscheinlich hat Luther versucht, die damaligen Gesellschaftsverhältnisse mit einzubeziehen und die Übersetzung so zu erstellen, wie es vermutlich gemeint gewesen war.

Dv solt nicht bey Knaben ligen / wie beim Weibe / Denn es ist ein grewel.” [L1545]
3. Mose 18,22

“Wenn jemand beim Knaben schlefft / wie beim Weibe / die haben einen Grewel gethan / Vnd sollen beide des tods sterben / Jr blut sey auff jnen.” [L1545]
3. Mose 20,13
 

Homosexualität im Neuen Testament

Im NT beziehen sich nur drei Stellen, nämlich in den Paulusbriefen, explizit auf homosexuelles Verhalten. Sie kennzeichnen es als eine von mehreren Formen sexuellen und sozialen Fehlverhaltens, die Bestandteil und Folge des Unglaubens von heterosexuellen Nichtchristen seien. Dabei sind damalige Gesellschaftsverhältnisse mit im Blick:

Wisst ihr denn nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Täuscht euch nicht! Weder diejenigen, die verbotene sexuelle Beziehungen eingehen, noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch versklavte Lustknaben, noch deren Nutzer, noch Diebe, noch Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer, keine Räuber werden das Reich Gottes erben.”
1.Korinther 6,9-10 [Paulus]

[Das Gesetz ist nicht den Gerechten gegeben, sondern den Ungerechten und (...)]
“denjenigen, die ein ehebrecherisches Leben führen, den Nutzern versklavter Lustknaben, den Sklavenhändlern, den Leuten, die lügen oder falsche Eide schwören oder sonst etwas tun, was der gesunden Lehre entgegengesetzt ist.”
1.Timotheus 1,10 [Paulus]

“Darum lieferte Gott sie entehrenden Leidenschaften aus: Ihre weiblichen Personen vertauschten den auf Fortpflanzung gerichteten Verkehr mit einem nicht der Vermehrung dienenden; ebenso gaben die männlichen Personen den Fortpflanzungsverkehr mit den weiblichen Personen auf und entflammten im Verlangen zueinander; Männliche mit Männlichen, indem sie unschickliche [nicht der Fortpflanzung dienende] Dinge trieben und erhielten den ihnen gebührenden Lohn für ihren Irrtum.”
Römer 1,26-27 [Paulus]

Mit den Worten der
Volxbibel.

Die Frage, inwieweit Paulus auf einer Stufe mit Moses oder Jesus gesehen werden kann oder muss, stellt sich mir mit Nachdruck, wenn ich mir die Geschichte der Verbreitung des Christentums anschaue. Es gibt auch andere, die ebenfalls eine Wertung vornehmen, wie z.B. die Herausgeber der Jesus-Bibel oder der Neue Luther Bibel, in dessen Werken Jesu Worte in rot gedruckt werden.
 


Was für seltsame Blüten seltsame Gesinnungen und Übersetzungen treiben können, wird bei Lektüre der Römer-Stelle in den Übersetzungen des eher evangelikalen Hänssler-Verlages "Neues Leben Bibel" und "Hoffnung für alle" deutlich:

“Deshalb überließ Gott sie ihren schändlichen Leidenschaften. Die Frauen wandten sich vom natürlichen Geschlechtsverkehr ab und suchten die sexuelle Beziehung zueinander. 27 Und auch die Männer hatten keine sexuellen Beziehungen mehr zu Frauen, wie es der natürlichen Ordnung entspricht. Stattdessen entbrannte in ihnen die sexuelle Lust zueinander. Männer trieben Schändliches mit anderen Männern und erlitten an sich selbst die Strafe, die sie verdienten.“ [NLB]

“Weil die Menschen Gottes Wahrheit mit Füßen traten, gab Gott sie ihren abscheulichen Leidenschaften preis: Ihre Frauen haben die natürliche Sexualität aufgegeben und gehen gleichgeschlechtliche Beziehungen ein. 27 Ebenso haben die Männer die natürliche Beziehung zur Frau mit einer unnatürlichen vertauscht: Männer begehren Männer und lassen ihrer Lust freien Lauf. So erfahren sie die gerechte Strafe für ihren Götzendienst am eigenen Leib.“ [HFA]

Das stand ursprünglich nun wirklich nirgendwo. So finde ich den kläglichen Versuch der Rechtfertigung für diese Übersetzung, der per Fußnote in der Neues Leben Bibel direkt nach Vers 26 gegeben wird, direkt amüsant: "1,26 Griech. wider die Natur".

Worin der Verkehr der Frauen "wider die Natur" (para physin) nun besteht, ist unklar, da das Objekt "mit Männern" und die Wendung "entbrannten in Begierde zueinander" fehlen und kein anderes Objekt angegeben ist. Antike jüdische Texte verstanden unter "widernatürlichem" Geschlechtsverkehr von Frauen die streng verbotene Zoophilie (3. Mose 18,23 und 20,16); weibliche Homosexualität behandelten sie nicht.

Da Paulus, wie in meiner obigen Übersetzung aufgegriffen, jede Sexualität, die nicht der Fortpflanzung dient, wie bei männlicher Homosexualität in Vers 27 als widernatürlich betrachtet habe, könnte hier gleichsam auch der Analverkehr von Männern mit Frauen als Empfängnisverhütung gemeint sein.

Lesbische Liebe hingegen sei weder im Alten Testament noch in der jüdischen Tradition problematisiert worden. Hinter der Gerichtsrede stehe das Argument der geschaffenen Polarität von Mann und Frau zur Vermehrung (1. Mose 1,26-28). Als "naturgemäß" (kata physin) habe auch im Judentum und im Hellenismus seit Platons "Timaios" nur auf Fortpflanzung zielende Sexualität gegolten.