Christlich nachgeforscht 2

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Onanie
 

1. Mose 38,8-10 AT (Juda und seiner Söhne Verhalten gegen Thamar)

"8 Da sagte Juda zu Onan: »Gehe zu der Frau deines Bruders ein und vollziehe mit ihr die Schwagerehe*), damit du das Geschlecht deines Bruders fortpflanzest!« 9 Da Onan aber wußte, daß die Kinder nicht als seine eigenen gelten würden, ließ er, sooft er zu der Frau seines Bruders einging, den Samen zur Erde fallen, um seinem Bruder keine Nachkommen zu verschaffen. 10 Dieses sein Tun mißfiel aber dem Herrn, und so ließ er auch ihn sterben." [MEN]

*) 5.Mose 25,5-6: Wenn Brüder zusammen wohnen und einer von ihnen stirbt und hat keinen Sohn, dann soll die Frau des Verstorbenen nicht auswärts einem fremden Mann angehören. Ihr Schwager soll zu ihr eingehen und sie sich zur Frau nehmen und mit ihr die Schwagerehe vollziehen. 6 Und es soll geschehen: Der Erstgeborene, den sie dann gebiert, soll den Namen seines verstorbenen Bruders weiterführen, damit dessen Name aus Israel nicht ausgelöscht wird. [ELB]
 

Die zitierte Bibelstelle mit Onan, aus der nicht nur das Wort onanieren, sondern sogar ein Onanieverbot abgeleitet wurde, sagt über masturbieren aber praktisch gar nichts aus. Viel eher geht es hier um eine spezielle Verhütungsmethode, die unter dem Namen "Coitus interruptus" bekannt ist. Damit ist schon mal klar: Diese Verhütungsmethode ist untersagt. Da die heute bekannten sublimeren Verhütungsmoethoden damals evtl. noch nicht erfunden bzw. noch nicht gängig waren, könnte man also schließen, dass Verhütung allgemein untersagt ist. Dieser Einstellung folgen ja auch große religiöse Gruppierungen.

Eine zwingende Verbindung, zwischen dieser Bibelstelle und dem, was heutzutage unter Onanie verstanden wird, existiert aber nur, da es sich im geschilderten Fall um eine partnerschaftliche Sexualpraktik handelt, wenn mit Onanie nicht, wie meistens, Selbstbefriedigung oder Ipsation (Ipsismus) gemeint ist. Selbst dieser seltene Fall kommt aber innerhalb eines Coitus interruptus nach Meinung von Wikipedia erst sekundär zur Anwendung: "Der Mann kann sich dann vor dem Orgasmus schnell und einfach zurückziehen. Die Ejakulation kann dann (...) weg von der Vaginalöffnung erfolgen. Eine die Sicherheit erhöhende Variante entsteht, wenn etwas eher zurückgezogen wird und der Abschluss durch Handmassage des Mannes oder der Frau erfolgt." (de.wikipedia.org/wiki/Coitus interruptus).

Jedoch ist von einer Handmassage in der erwähten Bibelstelle nicht die Rede. Man kann das hineininterpretieren, wenn man möchte, aber es steht da nicht. Man kann dann sogar weiter interpretieren, vom Coitus interruptus ganz weggehen und die neu gewonnene Erkenntnis der Handmassage ganz isoliert betrachten und aus dem Zusammenhang gerissen verallgemeinern: Handmassage missfällt Gott, er wird dich dafür töten. Das Ganze hat zwar mit dem ungehorsamen Onan und seinem Spezialauftrag von Gott, das Geschlecht seines Bruders schwägerlich fortzupflanzen, nichts zu tun, aber wir nennen es trotzdem griffig Onanie. Voilà! Eisegese würde ich das nennen.

Insofern müsste neu definiert werden:

- Onanie: Manuelles Herbeiführen des Samenergusses außerhalb der Vagina als Verhütungsmethode beim partnerschaftlichen Sex durch einen der Partner. Nur hierfür existiert ein explizites Bibelverbot (bei Unterstellung eines permanenten göttlichen Vermehrungsgebots).

- Masturbation: Überbegriff. Überwiegend manuelle Stimulation der eigenen Geschlechtsorgane, kann jedoch auch an und durch andere(n) Personen ausgeführt werden.

- Ipsation (Ipsismus): Selbstbefriedigung. Kein spezielles Bibelverbot. Nur evtl. in Verbindung mit Matthäus 5, 27-28.

Jedoch bezieht sich letztere Bibelstelle auf das Ehebrechen, d.h. mind. einer der Beteiligten (Begehrer oder Objekt) muss verehelicht sein, damit das sündige Verhalten gemäß dieser Bibelstelle zur Anwendung kommt. Es wäre nämlich sonst sinnlos, "verbotene" sexuelle Gedanken ausgerechnet als Ehebruch zu bezeichnen, wie es im letzten Halbsatz geschieht. (Unterstellt wird, dass in keiner weiteren Bibelstelle auf die "gedankliche außereheliche Sexualität" eingegangen wird, diese also nicht per se schon verboten ist.) Dieser klaren Abgrenzung folgen ebenfalls einige Bibelübersetzungen, die diesen logischen Schritt explizit einfließen lassen haben:
 

Matthäus 5, 27-28:

27 »Ihr wisst, dass es heißt: ›Du sollst nicht die Ehe brechen!‹ 28 Ich aber sage euch: Wer die Frau eines anderen begehrlich ansieht, hat in seinem Herzen schon die Ehe mit ihr gebrochen. [GN]

27 "Ihr wisst, dass es heißt: 'Du sollst nicht Ehebruch begehen!' 28 Ich aber sage euch: Wer die Frau eines anderen begehrlich ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen. [NEÜ]

27 „Ihr wisst doch zum Beispiel auch, dass im alten Vertrag steht: ‚Du sollst nicht fremdgehen, wenn du verheiratet bist!‘ 28 Meine Meinung dazu ist: Wer auf eine verheiratete Frau auch nur scharf ist und sie in seiner Fantasie schon fast ausgezogen hat, ist mit ihr in Gedanken schon fremdgegangen! [VLX]
 

Ergo: Selbstbefriedigung oder sexuelle Fantasien eines unverheirateten Menschen ist durch die Bibel nicht untersagt, wenn es sich bei dem gedanklichen Objekt ebenfalls um einen unverheirateten Menschen handelt.