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Paraguai - oder: Die Rückkehr.
“Es waren einmal ein kleiner Bär und ein kleiner Tiger, die lebten unten am Fluss. Dort, wo der Rauch aufsteigt, neben dem großen Baum. Und sie hatten auch ein Boot. Sie wohnten in einem kleinen, gemütlichen Haus mit Schornstein. "Uns geht es gut", sagte der kleine Tiger, "denn wir haben alles, was das Herz begehrt, und wir brauchen uns vor nichts zu fürchten. Weil wir nämlich auch noch stark sind. Ist das wahr, Bär?" "Jawohl", sagte der kleine Bär, "ich bin stark wie ein Bär und du bist stark wie ein Tiger. Das reicht."
Der kleine Bär ging jeden Tag mit der Angel fischen und der kleine Tiger ging in den Wald Pilze finden. Der kleine Bär kochte jeden Tag das Essen; denn er war ein guter Koch. "Möchten Sie den Fisch lieber mit Salz und Pfeffer, Herr Tiger, oder besser mit Zitrone und Zwiebel?" "Alles zusammen", sagte der kleine Tiger, "und zwar die größte Portion." Als Nachspeise aßen sie geschmorte Pilze und dann Waldbeerenkompott und Honig. Sie hatten wirklich ein schönes Leben dort unten in dem kleinen, gemütlichen Haus am Fluss...
Aber eines Tages schwamm auf dem Fluss eine Kiste vorbei. Der kleine Bär fischte die Kiste aus dem Wasser, schnupperte und sagte: "Oooh ... Bananen." Die Kiste roch nämlich nach Bananen. Und was stand auf der Kiste geschrieben? "Pa-na-ma", las der kleine Bär. "Die Kiste kommt aus Panama und Panama riecht nach Bananen. Oh, Panama ist das Land meiner Träume", sagte der kleine Bär. Er lief nach Hause und erzählte dem kleinen Tiger bis spät in die Nacht hinein von Panama. "In Panama", sagte er, "ist alles viel schöner, weißt du. Denn Panama riecht von oben bis unten nach Bananen. Panama ist das Land unserer Träume, Tiger. Wir müssen sofort morgen nach Panama, was sagst du, Tiger?" "Sofort morgen", sagte der kleine Tiger, "denn wir brauchen uns doch vor nichts zu fürchten, Bär. Aber meine Tiger-Ente muss auch mit." Am nächsten Morgen standen sie noch viel früher auf als sonst. "Wenn man den Weg nicht weiß", sagte der kleine Bär, "braucht man zuerst einen Wegweiser." Deshalb baute er aus der Kiste einen Wegweiser.
"Und wir müssen meine Angel mitnehmen", sagte der kleine Bär, "denn wer eine Angel hat, hat auch immer Fische. Und wer Fische hat, braucht nicht zu verhungern ..." "Und wer nicht zu verhungern braucht", sagte der kleine Tiger, "der braucht sich auch vor nichts zu fürchten. Nicht wahr, Bär?" Dann nahm der kleine Tiger noch den roten Topf. "Damit du mir jeden Tag etwas Gutes kochen kannst, Bär. Mir schmeckt doch alles so gut, was du kochst. Hmmmm ..." Der kleine Bär nahm noch seinen schwarzen Hut und dann gingen sie los. Dem Wegweiser nach. Am Fluss entlang in die eine Richtung ...
(...)
Als der Regen vorbei war, gingen sie weiter. Sie bekamen auch bald Hunger und der Bär sagte: "Ich habe eine Angel, ich gehe fischen. Warte du solange unter dem großen Baum und zünde schon ein kleines Feuer an, Tiger, damit wir die Fische braten können!" Aber da war kein Fluss und wo kein Fluss ist, ist auch kein Fisch. Und wo kein Fisch ist, nützt dir auch eine Angel nichts.
(...)
Sie trafen bald zwei Leute, einen Hasen und einen Igel, die trugen ihre Ernte nach Hause. (...) Der kleine Bär und der kleine Tiger durften auf dem gemütlichen Sofa sitzen. "So ein Sofa", sagte der kleine Tiger, "ist das Allerschönste auf der Welt. Wir kaufen uns in Panama auch so ein Sofa, dann haben wir wirklich alles, was das Herz begehrt. Ja?" "Ja", sagte der kleine Bär. Und dann erzählte der kleine Bär den beiden Leuten den ganzen Abend von Panama. (...) Der kleine Bär und der kleine Tiger durften auf dem schönen Sofa schlafen. In dieser Nacht träumten alle vier von Panama.
Einmal trafen sie eine Krähe. "Vögel sind nicht dumm", sagte der kleine Bär und er fragte die Krähe nach dem Weg. "Welchen Weg?", fragte die Krähe. "Es gibt hundert und tausend Wege." "In unser Traumland", sagte der kleine Bär. "Dort ist alles ganz anders. Viel schöner und so groß ..." "Das Land kann ich euch wohl zeigen", sagte die Krähe, denn Vögel wissen alles. "Dann fliegt mir mal nach. Hupp ...!" (...) "Das da", sagte die Krähe, "ist es." Und sie zeigte mit dem Flügel ringsherum.
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"Oooh", rief der kleine Tiger, "ist daaaas schön! Nicht wahr, Bär?" "Viel schöner als alles, was ich in meinem ganzen Leben gesehen habe", sagte der kleine Bär. Was sie sahen, war aber gar nichts anderes als das Land und der Fluss, wo sie immer gewohnt hatten. Hinten, zwischen den Bäumen, ist ja das kleine Haus. Nur hatten sie das Land noch nie von oben gesehen. "Ooh, das ist ja Panama ...", sagte der kleine Tiger. "Komm, wir müssen sofort weiter, wir müssen zu dem Fluss. Dort bauen wir uns ein kleines, gemütliches Haus mit Schornstein. Wir brauchen uns doch vor nichts zu fürchten, Bär." Und sie kletterten von dem Baum und kamen bald zum Fluss.
Wo habt ihr denn euer Boot, kleiner Bär und kleiner Tiger? - Liegt bei eurem kleinen Haus am Fluss.
(...)
Auf der anderen Seite des Flusses fanden sie einen Wegweiser. Er lag umgekippt im Gras. "Was siehst du da, Tiger?" "Wo denn?" "Na hier!" "Einen Wegweiser." "Und was steht darauf geschrieben?" "Nichts, ich kann doch nicht lesen." "Pa ..." "Paraguai." "Falsch." "Pantoffel." "Nein, du Dummkopf. Pa-na-ma. Panama. Tiger, wir sind in Panama! Im Land unserer Träume, oooh - komm her, wir tanzen vor Freude." Und sie tanzten vor Freude hin und her und ringsherum.
Aber du weißt schon, was das für ein Wegweiser war. Na? Genau.
Und als sie noch ein kleines Stück weitergingen, kamen sie zu einem verfallenen Haus mit Schornstein. "O Tiger", rief der kleine Bär, "was sehen denn da unsere scharfen Augen, sag!" "Ein Haus, Bär. Ein wunderbar, wundervoll schönes Haus. Mit Schornstein. Das schönste Haus der Welt, Bär. Da könnten wir doch wohnen." "Wie still und gemütlich es hier ist, Tiger", rief der kleine Bär, "lausch doch mal!" Der Wind und der Regen hatten ihr altes Haus ein bisschen verwittern lassen, so dass sie es nicht wieder erkannten. Die Bäume und Sträucher waren höher gewachsen, alles war etwas größer geworden. "Hier ist alles viel größer, Bär", rief der kleine Tiger, "Panama ist so wunderbar, wundervoll schön, nicht wahr?" Sie fingen an, das Haus zu reparieren. Der kleine Bär baute ein Dach und einen Tisch und zwei Stühle und zwei Betten. (...) Dann pflanzten sie im Garten Pflanzen und bald war es wieder so schön wie früher. Der kleine Bär ging fischen, der kleine Tiger ging Pilze finden. Nur war es jetzt noch schöner; denn sie kauften sich ein Sofa aus Plüsch und ganz weich. Das kleine Haus bei den Sträuchern kam ihnen jetzt so schön vor wie kein Platz auf der Welt. "O Tiger", sagte jeden Tag der kleine Bär, "wie gut es ist, dass wir Panama gefunden haben, nicht wahr?" "Ja", sagte der kleine Tiger, "das Land unserer Träume. Da brauchen wir nie, nie wieder wegzugehen."
Du meinst, dann hätten sie doch gleich zu Hause bleiben können? Du meinst, dann hätten sie sich den weiten Weg gespart? O nein, denn sie hätten den Fuchs nicht getroffen und die Krähe nicht. Und sie hätten den Hasen und den Igel nicht getroffen und sie hätten nie erfahren, wie gemütlich so ein schönes, weiches Sofa aus Plüsch ist.”
Janosch, Oh, wie schön ist Panama, Beltz & Gelberg, Weinheim 2004, S.3ff
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