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"Tief denkende Menschen kommen sich im Verkehr mit anderen als Komödianten vor, weil sie sich da, um verstanden zu werden, immer erst eine Oberfläche anheucheln müssen."
Friedrich Nietzsche, deutscher Philosoph (1844 - 1900)
“Er [Alexander von Humboldt] schloß Ratschläge über den Umgang mit wilden Menschen an: Man müsse freundlich und interessiert wirken und dürfe weder seine Überlegenheit leugnen, noch es unterlassen, Belehrungen zu äußern, das Wohlgefallen an der Unwissenheit anderer sei eine Form der Herablassung."
Aus dem historischen Roman: Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt, Rowohlt, Hamburg 2006, S.298
(20.02.06) Wir Deutschen werden gesunderweise so erzogen, dass wir uns im Ausland so verhalten, dass wir den Menschen dort voll Respekt und Offenheit begegnen. Respekt vor der Kultur dieser Menschen, Offenheit fuer die Andersartigkeit. Ein bisschen liegt uns Deutschen das sogar im Blut, denn ein kleines bisschen leiden alle Deutschen an ihrer eigenen Hyperkorrektheit und Steifheit und stellen ein wenig wunschdenkend, egal in welches Ausland sie kommen, gleich zu Anfang fest: “Hier ist alles viiiel lockerer...” Das ist zwar ein riesengrosser Irrtum, aber wenns Spass macht...
Wenn man in einem Drittweltland leben moechte, sollte man diese Verklaertheit moeglichst bald einer realitaetsnahen Einstellung weichen lassen:
Wir gut ausgebildeten Deutschen sind den meisten Bewohnern dieser Laender de facto schlichtweg ueberlegen.
O ja, ich weiss, so etwas darf man nicht sagen. Siehe oben, Beginn des Abschnittes. Und doch ist da etwas Wahrheit dran, finde ich, auch ohne Nationalist oder so etwas zu sein. Denn es ist eine nuechterne Feststellung, die auf Beobachtungen und Erfahrungen beruht, nicht aber die Bruecke zur Arroganz. Warum ich mir erlaube, das zu sagen? Genaugenommen habe ich dieses Denken aus ganz offizieller Hand, naemlich vom Vize-Botschafter einer deutschen Gesandtschaft mitbekommen. Und das kam so: Ich hatte ein ernsthaftes Problem, als ein Landesangehoeriger versuchte, sich meines Hab und Gutes zu bemaechtigen und dazu voellig illegal zwei schwerbewaffnete Polizisten in mein Haus marschieren liess, die mich “verschwinden” lassen sollten. Vor lauter Angst rief ich die Botschaft an und sprach mit dem Vize-Botschafter, der nur gelangweilt riet, ich solle mit der Polizei kooperieren, mich erstmal schoen festnehmen lassen und dann weitersehen. Er koenne mir zwar nicht direkt helfen, aber mir immerhin eine Liste mit Anwaelten herein geben. Nanu, was geht da ab?, dachte ich. Erst viel spaeter begriff ich die Message:
Du bist ein Deutscher, du hast gefaelligst in Deutschland zu sein! Wenn du meinst, dich im Ausland aufhalten zu muessen, dann verhalte dich gefaelligst so, dass du keine Probleme mit den Obrigkeiten hast. Denn wegen deinen Privatproblemen moechte die Bundesrepublik Deutschland nicht ihr gutes Verhaeltnis zu den Landesobrigkeiten riskieren.
Boing!
Ganz schoen hart, was? Mir faellt dazu der Spruch ein: “Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.” Ist das die offizielle Botschaft unseres Landes?
(03.05.10) Erst heute, mehr als sechs Jahre nach dem Vorfall, traue ich mich, die wirkliche Botschaft auszusprechen: Ich wurde damals von meinem Vaterland im Stich gelassen! Die Deutsche Botschaft beriet eine paraguayische Staatsbürgerin mit aggressivem Vorhaben gegen einen deutschen Staatsbürger und reagierte auf den für den kommenden Tag schon erwarteten verzweifelten Hilferuf des Deutschen nur mit Ausflüchten. Dieses Erlebnis hat mich gezeichnet. Es war übrigens die wahrscheinlich schlimmste Erfahrung meines bisherigen Lebens. Lange Zeit überlegte ich, ob ich mich hilfesuchend an die übergeordnete Behörde in Berlin wenden sollte. Ich tat es nicht, weil ich nicht wirklich damit rechnete, dass eine Behörde, obwohl staatsmännisch, den Schneid haben würde, das Verhalten ihrer Kollegen als Fehlverhalten anzuerkennen.
(20.02.06) Wenn wir Deutschen uns also jenseits unserer Landesgrenzen in Entwicklungszonen bewegen, muessen wir eine Art “doublethinking” betreiben: Unsere Ueberlegenheit dazu nutzen, einerseits der Landesbevoelkerung voll Respekt zu begegnen und ihre Errungenschaften hochhalten (“Lebst du aber in einem tollen Erdloch!”), gleichzeitig aber nicht die Realitaet aus den Augen zu verlieren, die eben doch ein deutliches Gefaelle darstellt, und entsprechend zu handeln. Das ist wie der Umgang mit Kinderchen, fuer die man mit denken, aber all ihre kleinen und grossen Leistungen feiern muss.
Einfache Menschen neigen zur Gleichmacherei. Wie oft habe ich habe ich mir hier in diesem Land mit sehr hoher Kriminalitaetsrate, wo die Haeuser sich hinter dicken, stromgeladenen Grundstuecksmauern verbergen und die Polizei nur mit MPs Streife faehrt, eine lapidare Erklaerung anhoeren muessen: “Gestohlen und gemordet wird ueberall, doch auch in Deutschland, oder?” (05.05.06) Oder angriffslustiger: ”Wieso werden denn gerade in Deutschland so viel Waffen hergestellt und hier in diesem Land gar keine?” Damit war die Welt wieder im Lot. Es ist einfach ein Prinzip zwischen Menschen, das man kennen und beruecksichtigen sollte und je ungebildeter die Menschen sind, desto ausgepraegter wird dieses Prinzip angewandt, das Prinzip des: “Du bist auch nicht besser als wir.” Selbstverstaendlich kann man nicht erwarten, dass in einer hiesigen Schule auf Deutsche eingegangen wird (auch wenn diese Schule sich stolz “Deutsche Schule” nennt und damit wirbt), aber es ist immer wieder drollig zu beobachten, wie die Kinder in der ersten Klasse Dinge lernen, die eigentlich auf indianische Lebensgewohnheiten und damit nicht zuletzt auf die Eltern abzielen, so z.B. Hausmuell nicht auf der Strasse zu verbrennen, sondern der Muellabfuhr anzuvertrauen. So muss man als Eltern oder auch als Buerger auch noch manch einen anderen mit wichtiger Miene vorgetragenen Sermon ueber sich ergehen lassen, wobei der Vortragende sich ueber die Zielgruppe gar keine Gedanken macht, ja gar nicht machen kann: Denn woher will er, der das entsprechende Wissen selbst unlaengst erst vermittelt bekommen hat, denn z.B. wissen, dass es in unserem Heimatland seit dem Mittelalter voellig unueblich ist, den Muell auf der Strasse zu verbrennen? Man koennte jetzt denken, diese Auspraegungen des naiven “Du bist auch nicht besser als wir”-Denkens loesen auf Seiten der Zielgruppe unentwegt herzliche Lachsalven aus. Nun ist es aber so, dass das Gegenueber dann immer noch nicht versteht und entsprechend negativ reagieren koennte. Und auch wenn Einsicht und Weltoffenheit nicht gerade Staerken einer hinterherhinkenden Kultur sind, so sollte man von da nicht automatisch auf die Machtmoeglichkeiten und Errungenschaften zu zerstoeren, schliessen: Du kommst jetzt erstmal runter zu uns, denn “Du bist auch nicht besser als wir”, und dann koennen wir gemeinsam den Weg gehen, der diesem Land vorbestimmt ist. Dazu faellt mir ein anderes Beispiel ein: Als Motorradfahrer fuhr ich tagsueber immer mit Licht. Ich kenne das von Deutschland her und ich finde es sinnvoll. Mir wurden nicht nur von entgegenkommenden Autofahrern staendig gutgemeinte Lichtsignale gegeben, auch Polizisten verlangten, das Licht auszumachen. Auf die unweigerlich folgende Diskussion und meine Argumente von wegen Sicherheit und in Deutschland sei das Vorschrift usw. bekam ich nur den agressiven Konter zu hoeren: “Ja in Deutschland, das mag sein, aber wir sind hier nicht in Deutschland!” Die Geschichte geht weiter: Kurze Zeit spaeter wurde vom Staat eine neue Regelung erlassen, dass alle Fahrzeuge tagsueber mit Licht fahren muessen. Ich sage jetzt nicht, dass ich das bewirkt habe, was ja auch nicht stimmt. Aber irgendein Regierungsmitglied hatte ploetzlich einen Lichtblick gehabt und ploezlich war diese meine freiwillige Angewohnheit auch fuer dieses Land geeignet. Das Pendel schlug jetzt also mit ueblicher Macht kraeftig zur anderen Seite aus: Ich konnte jetzt also schon wieder nicht freiwillig Licht anschalten, sondern ich musste es. Dieselben Polizsten (ich vermute das hier nur) quaekten mich nun beim Vergessen des Einschaltens an, was ich denn fuer ein ruecksichtsloser Verkehrgefaehrder sei, ohne Licht zu fahren und -schlimmer- kassierten eine irre hohe Strafe. Was ist das? Ignoranz? Obrigkeitsergebenheit? Schikane? Nein, es sind ichbezogene naive Menschen in ihrem eigenen Staat. Am ehesten also noch Ignoranz. |