kontra RZB

RZB - romantische Zweierbeziehungen (auf romantischer Liebe basierend)

Quelle: Aber Dich gibt’s nur einmal für mich - eine Kritik an romantischen Liebesbeziehungen, von: Das GegenBez-Kollektiv (Schreibweise normalisiert)

6.4    Drei sind einer zu viel?

Außerdem schränken sich die sozialen Kontakte auf einmal ungemein auf die traute Zweisamkeit ein.

Die Liebe und Sexualität, die nur zwischen den beiden Personen innerhalb des Vertrages stattfinden darf, setzt voraus, dass diese beiden Menschen viel Zeit ohne andere Menschen verbringen. Einmal um sich zu beweisen, dass sie niemand anderen brauchen, sie also füur sich die wichtigsten Menschen sind, die all ihre Bedürfnisse nur durch ihre Beziehung zueinander befriedigen können und andererseits braucht es natürlich viel Zeit, sich die Liebe zu zeigen  und die  Sexualität  auszuüben, die ihren ”stummen Vertrag“  aufrecht erhalten. Oftmals wird dabei an der miteinander verbrachten Zeit abgemessen, wie wichtig man einander ist. So kann unter Umständen bei einem zu großen Zeitaufwand für andere Beziehungen sogar die RZB in Frage gestellt werden, da die einzigartige soziale Bindung, die höhergestellt ist, als die anderen (die Liebe), nicht genügend gewürdigt wird. Diese Zeit, die so intensiv für diese eine Beziehung verwendet wird, kann man dann natürlich nicht mehr für andere Beziehungen, wie Freundschaften, Bekanntschaften, etc. aufbringen.

Die Menschen in RZBs befinden sich deshalb oft in Gewissenskonflikten und es kommt ihnen so vor, als hätten sie nicht genügend Zeit. Sie müssen einen (den?) Großteil ihrer Zeit mit ihrer RZB verbringen, aber auch Freunde, Familie sind ihnen wichtig, ganz zu schweigen von der Zeit, die die meisten Menschen auch mal ganz einfach nur für sich selbst brauchen oder in neue Bekanntschaften investieren möchten. Mit der Zeit müssen sie allerdings Prioritäten setzen und einige der oben genannten Dinge aufgeben, wenn sie die RZB nicht gefährden wollen. Oft passiert das allerdings ganz automatisch. Da in der Anfangszeit einer RZB, wo der Vertrag noch gefestigt werden muß, man sich kennenlernt und alles noch als ganz neu und aufregend empfunden wird, die meisten RZBs sowieso die meiste Zeit miteinander verbringen (siehe Verliebtheit), wird eine Reduzierung der Zeit, die man miteinander verbringt, oft als Reduzierung der Zuneigung, als Beweis für  das Ende der  Verliebtheit  oder  die aufkommende Normalität genommen (s.o.). Um diesen Verdacht nicht aufkommen zu lassen, versuchen die meisten Menschen trotzdem noch genauso viel Zeit miteinander zu verbringen, auch wenn sie sich dann nur annerven, streiten oder langweilen und dabei Freundschaften & sich selbst vernachlässigen, Kontakte abbrechen, usw...

Dies führt oft ganz automatisch zu einer Art Abschottung der beiden Personen der RZB von ihrer Außenwelt, die natürlich – je nach RZB – mal mehr und mal weniger stark ausgeprägt ist.

Dies kann für die Menschen in einer RZB sehr negative Folgen haben. Sie haben wenige Bezugspunkte, wenige oder keine Menschen, zu denen sie hingehen können, wenn es in der RZB schlecht geht oder sie sie verlassen wollen bzw. wenn sie Probleme oder Bedürfnisse haben, die nicht innerhalb der RZB befriedigt oder gelöst werden können. Dies kann zu einer großen Unzufriedenheit führen, aus der man keinen Ausweg sieht, wenn man die RZB nicht gefährden will oder – z.B. aus finanziellen oder anderen Gründen – nicht zu können glaubt.

(...)

6.7 Namen  und Rahmen und  die Konstruktion von Geschlecht

Auch durch die RZB wird die Geschlechterkonstruktion reproduziert. An anderen Stellen wurde dieser Punkt bereits erwähnt, ich möchte an dieser Stelle trotzdem gesondert etwas dazu schreiben.

RZBs werden durch eine Art Vertrag begründet. Ein Mensch fragt einen anderen, ob er mit ihm ”gehen“ wolle. Wenn der Vertrag besteht, wird die andere Person als ”mein Freund“ oder ”meine Freundin“ bezeichnet. Dieser Name wird auch oft in Gesprächen statt des Rufnamens benutzt. Wenn eine ”mein Freund“  sagt, dann ist dieser Name für andere ein Signal: die zwei gehören einander, sie ist sein Besitz und er ihrer, bestimmte Dinge sind zwischen uns nicht möglich (s.o.), die zwei machen bestimmte Dinge miteinander (s.o.). Dieses ”Wissen“ wird allein durch den Namen ”mein Freund“ / ”meine Freundin“ ausgelöst, strukturiert das Verhalten von Menschen, das Verhältnis zwischen Menschen. Denn nicht nur das Sein bestimmt das Bewusstsein (Marx), sondern auch das Bewusstsein das Sein [kritische Theorie].

Durch diesen Namen werden aber auch männliches und weibliches Geschlecht und Heterosexualität als Normalität konstruiert. Denn der Name ”mein Freund“  löst nur genanntes Wissen aus, wenn die Person, die das sagt, meinen Vorstellungen  von einer ”Frau“ entspricht, ”meine Freundin“, wenn die Person mir männlich erscheint. Dabei wird die (wenn man die Existenz der Kategorien ”Mann“ und ”Frau“ annimmt) Heterosexualität als Normalität wiederum bestätigt. Wenn ein ”Mann“ von einer Freundin redet, denkt das Umfeld oft an eine RZB mit allem, was dazu gehört. Umgekehrt ist es ebenso. Es gibt ”Frauen“, die deshalb nicht den Namen ”Freund“ benutzen, sondern ”Kumpel“, um ja keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen.

Nun kann man ja einwenden, dass Homosexualität heute zumindest in den Metropolen (Großstädten) durchaus nicht ungewöhnlich ist. Trotzdem wird sie nicht als ”normal“ angesehen, sondern als exotische Abweichung, die die Heterosexualität als Normalität bestätigt. Und beide könnte man auch unter der Kategorie ”Monosexualität“ zusammenfassen, nach der sich menschliches Begehren jeweils auf Menschen eines Geschlechtes richtet. Bisexualität,  die Möglichkeit, dass sich das  Begehren  auf Menschen unabhängig vom Geschlecht richtet, erscheint suspekt, verdächtig, nicht ausgereift. Da Menschen innerhalb einer RZB oft nur einen Geschlechtspartner haben (dürfen), nämlich ”den Freund“  / ”die Freundin“, ist es auch weniger möglich, das Bedürfnis nach Nähe/Zärtlichkeit/Sex [(denn  Zärtlichkeit  und körperliche  Nähe  werden  oft mit  Sex gleichgesetzt, wenn man das eine miteinander macht, dann auch das andere] mit einem gleichgeschlechtlichen Partner, den ich vielleicht total gut leiden kann (nicht muß) oder/und wo ich das nett fände, zu befriedigen.

Monosexualität und damit vor allem Heterosexualität wird als Normalität bestätigt.

Als Grund für eine RZB wird auch das stärkere Vertrauen zu einem Menschen angegeben, die Sicherheit, die mir dieser Mensch gibt, die besondere Qualität, die so eine Beziehung hat. Wenn Menschen RZBs eingehen, kennen sie sich aber meist noch nicht so lang, woher kommt dann das Vertrauen, die Sicherheit?*) Ist das nicht ein Anspruch, der gar nicht erfüllt werden kann? Und wenn ich mit einer Person ein Verhältnis habe, dass vertrauensvoll ist, uns Sicherheit gibt, wozu brauche ich dann den Rahmen RZB? Wozu muss ich sagen ”Wir sind zusammen“? Sollen die Rahmen und Namen die Beziehung durch eine gemeinsame Identität festigen und wenn ja, ist das nicht eine Täuschung?

Nicht zuletzt werden durch den Namen entgegengesetzte Interessen verdeckt und die Herrschaftsstruktur lässt es zu, dass die überlegene Person ihre Interessen durchsetzen, über eine andere Person verfügen kann. (...)

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*) Wir leben  in  einer Gesellschaft,  in  der ständig  Menschen  als ”fremd“ stigmatisiert werden, die Angst vor ”dem Fremden“  oder auch nur vermeintlich ”Fremden“  geschürt wird, wo Bedrohungen konstruiert werden (z.B. Organisierte Kriminalität, Terrorismus, Jugendkriminalität, Migration), ”law-and-order“-Politik oder harte Parolen wie die von der ”wehrhaften Demokratie“ immer noch für einen Wahlsieg gut sind, wo im fortgeschrittenen Kapitalismus jeder gegen jeden kämpft, um Profit, Arbeitsplätze, Ressourcen (Rohstoffe, Grundlagen), die meisten Beziehungen  über Wert vermittelt sind. Wie ist es da möglich, dass Menschen von jetzt auf gleich (wenn sie sich verlieben) Vertrauen zueinander bekommen? Ist das nicht ein Widerspruch und ein Anspruch, der gar nicht erfüllt werden kann?