Panamo

“Auf jeden Fall sind es bei den Algeriern, wie bei allen Anwohnern des Mittelmeers, diese beinahe besessenen Anspielungen auf die Homosexualität, mit denen sie ihre Männlichkeit beweisen wollen. Man kompensiert eben so gut man kann seine geheimsten Schwächen, denn es gibt in Algier genausoviel betrogene Ehemänner wie überall. Nur wissen sie es seltener.”

Claude Veillot, 100000 Dollar in der Sonne, Lichtenberg 1965, München, S. 13

“Der Herrscher von Bambarra hat soeben ein enormes Frühstück beendet (gebackende Bananen, vier Sorten Melone, gekochten Reis mit Spinat, gebratene Buntbarsche, Mohrenhirse-Pudding, Palmwein) und stillt gerade seine Lust an zwei pubertierenden Knaben, die er sich unter den Flüchtlingen aus Dscharra erwählt hat, als ihn die Nachricht von der Ankunft des Entdeckungsreisenden erreicht. Seine erste Reaktion ist ein langgezogener Rülpser. Nackt, dickbäuchig, träge, so liegt er ausgestreckt unter der großen Eselsfeige im Innenhof seines Regierungspalastes, reglos wie ein Krokodil in der Sonne. Sandelholz lässt die Luft süßlich duften, in Käfigen trällern Vögel von Frieden und Einsamkeit, von der Kühle des Regenwaldes. Die königlichen Fliegenklatscher, dürre alte Männer in Lendenschurzen, sind vollauf beschäftigt, das leise Zischen ihrer Schläge ist wie Schritte in einem Traum. Versonnen saugt Mansong an der Hookah, in deren Pfeifenkopf der Mutokuane*) glüht, und denkt: “Ah, ja”, während seine zwanzig grimmigen, ihm ergebenen Leibwächter mit langstieligen Fächern einen leisen Luftzug aufrühren. Ihm schwinden fast die Sinne. Der jüngere der Knaben verpasst ihm eine zarte Fellatio, während der andere ihm das Gesicht leckt, mit fester, tastender Zunge über Lippen, Nase und Augenlider fährt, als schlecke er Milch aus einer Schale. Das Ganze ist so wonnig und sinnlich, ein solcher Orgasmus der Neuronen und Synapsen - ein solcher Trip -, dass er den Kurier zunächst gar nicht registriert.”

*) Eine Art Tabak aus den getrockneten Blättern der Hanfpflanze, Cannabis sativa, den die Eingeborenen rauchen, um die sexuelle Leistungsfähigkeit zu steigern und die Träume herbeizuführen.

Tom Coraghessan Boyle, Wassermusik, rororo, Reinbeck 1990, S. 181f

“Herakles zurückgelassen

Nach einer stürmevollen Fahrt landeten die Helden in einem Meerbusen Bithyniens bei der Stadt Kios. Die Mysier, die hier wohnten, empfingen sie gar freundlich, türmten dürres Holz zum wärmenden Feuer auf, machten den Ankömmlingen aus grünem Laub eine weiche Streu und setzten ihnen noch in der Abenddämmerung Wein und Speise zur Genüge vor. Herakles, der alle Bequemlichkeiten der Reise verschmähte, ließ seine Genossen beim Mahle sitzen und machte einen Streifzug in den Wald, um sich aus einem Tannenbaum ein besseres Ruder für den kommenden Morgen zu schnitzen. Bald fand er eine Tanne, die ihm gerecht war, nicht zu sehr mit Ästen beladen, in der Größe und im Umfang wie der Ast einer schlanken Pappel. Sogleich legte er Köcher und Bogen auf die Erde, warf sein Löwenfell ab, seine eherne Keule daneben und zog den Stamm, den er mit beiden Händen gefaßt, mitsamt den Wurzeln und der daranhängenden Erde heraus, so daß die Tanne dalag, nicht anders denn, als hätte sie ein Sturm entwurzelt. Inzwischen hatte sich sein junger Gefährte Hylas auch vom Tische der Genossen verloren. Er war mit dem ehernen Kruge aufgestanden, um Wasser für seinen Herrn und Freund zum Mahle zu schöpfen und auch alles andere ihm für seine Rückkehr vorzubereiten. Herakles hatte auf seinem Zuge gegen die Dryopen seinen Vater im Wortwechsel erschlagen, den Knaben aber aus dem Hause des Vaters mit sich genommen und sich zum Diener und Freunde erzogen. Als dieser schöne Jüngling an dem Quelle Wasser schöpfte, leuchtete der Vollmond. Wie er sich nun eben mit dem Kruge nach dem Wasserspiegel neigte, erblickte ihn die Nymphe des Quelles. Von seiner Schönheit betört, schlang sie den linken Arm um ihn, mit der Rechten ergriff sie seinen Ellenbogen und zog ihn so hinunter in die Tiefe. Einer der Helden, Polyphemos mit Namen, der die Rückkehr des Herakles nicht ferne von jenem Quell erwartete, hörte den Hilfeschrei des Knaben. Aber er fand ihn nicht mehr, dagegen begegnete er dem Herakles, der aus dem Walde zurückkam. »Unglücklicher«, rief er ihm entgegen, »muß ich der erste sein, der dir die Trauerbotschaft melde? Dein Hylas ist zum Quelle gegangen und nicht wieder zurückgekehrt; Räuber fahren ihn gefangen davon oder wilde Tiere zerreißen ihn; ich selbst habe seinen Angstruf gehört.« Dem Herakles floß der Schweiß vom Haupte, als er es hörte, und das Blut wallte ihm gegen die Brust. Zornig warf er die Tanne auf den Boden und rannte, wie ein von der Bremse gestochener Stier Hirten und Herde verläßt, mit durchdringendem Rufe durch das Dickicht der Quelle zu.
(...)
Zugleich stieg aus der schäumenden Flut Glaukos, der Meergott, hervor, faßte mit starker Hand das Ende des Schiffes und rief den Eilenden zu: »Ihr Helden, was streitet ihr euch? Was begehret ihr, wider den Willen des Zeus den mutigen Herakles mit euch in das Land des Aietes zu führen? Ihm sind ganz andere Arbeiten zu verrichten vom Schicksale bestimmt. Den Hylas hat eine liebende Nymphe geraubt, und aus Sehnsucht nach ihm ist er zurückgeblieben.« Nachdem er ihnen solches geoffenbart, tauchte Glaukos wieder in die Tiefe nieder, und das dunkle Wasser schäumte in Wirbeln um ihn.”

Gustav Schwab, Sagen des klassischen Altertums, in:
http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=2554&kapitel=18&cHash=b1c81e959fsch1215#gb_found